Ist eine Heilung für Rett wirklich in greifbarer Nähe?

von Monica Coenraads | 31. Januar 2018

 

Genauigkeit liegt mir am Herzen. Das war schon immer so. Also muss ich zugeben, dass mir immer ein wenig unwohl wird, wenn ich Posts, Videos oder Kommentare sehe, die behaupten, dass „die Heilung von Rett in greifbarer Nähe ist.“

 

Ich persönlich, unser wissenschaftlicher Leiter Dr. Randy Carpenter und unsere wissenschaftlichen Berater sind davon überzeugt, dass eine Heilung nur möglich ist, wenn das Kernproblem der Störung, nämlich MECP2, angegangen wird. Obwohl die Medikamente, die aktuell in klinischen Versuchen zum Rett-Syndrom getestet werden, einige Symptome lindern mögen, erwarten wir nicht, dass sie etwas hervorbringen, das einer Heilungsmöglichkeit nahekommt.

 

Wo stehen wir also mit unseren Ansätzen, die MECP2 anvisieren? Zur Erinnerung: Diese umfassen Gentherapie, RNA-Modifikation, Reaktivierung von MECP2 und Proteinersatz, also die vier Ansätze, die im strategischen Forschungsplan vom RSRT – Weg zur Heilung – höchste Priorität haben.

 

Die Gentherapie ist dem klinischen Versuch bisher am nächsten gekommen. Wie die meisten von Ihnen wissen, hat das Biotechnologie-Unternehmen AveXis im letzten Jahr angekündigt, dass man klinische Versuche auf der Basis der ermutigenden Daten vom Gentherapie-Konsortium des RSRT durchführen wird. Aktuell befindet man sich bei der Arbeit mit Fachärzten für Rett und Dr. Carpenter, um einen ersten klinischen Versuch anzulegen, der mögliche Risiken und Vorteile optimal ausbalanciert. Es wurde versichert. dass AveXis sämtliche Einsichten, die in vorangegangenen Besprechungen mit der FDA (US-Behörde zur Überwachung von Lebensmitteln und Medikamenten) gewonnen wurden, einsetzt, um den Fortschritt mit dem Gentherapie-Programm für Rett voranzutreiben.

 

Wir sind ebenfalls gespannt auf das Potenzial der RNA-Modifikationen, welche Mutationen auf der RNA-Stufe und nicht auf der Gen-Stufe reparieren. Dieser biologische Ansatz könnte auch eine Einmalbehandlung sein und wird über einen Vektor verabreicht werden müssen. Entsprechend ist das, was bei der Gentherapie bereits erkannt wurde und noch erkannt werden wird, relevant für Ansätze mit RNA-Modifikation. Zusätzlich zum Fortschritt jener Wissenschaftler, die durch den RSRT gefördert werden, haben sich in den letzten Monaten auch bei anderen führenden Wissenschaftlern spannende Durchbrüche in diesem schnell wachsenden Bereich ergeben. Wir wollen mit noch mehr Energie in Ansätze, die auf die RNA abzielen, investieren und weitere weltweit führende Experten dazu bewegen, ihre Forschung auf das Rett-Syndrom zu konzentrieren. Obwohl diese Strategie neuartig ist und es bisher keine klinischen Versuche zu irgendeiner Krankheit gibt, ist unsere Hoffnung, dass das Rett-Syndrom den Weg dafür ebnen wird.

 

Bei einem Versuch, MECP2 zu reaktivieren, haben die Wissenschaftler in unserem Reaktivierungs-Konsortium tausende von Wirkstoffen gerastert. Es wurden mehrere Wirkstoffe entdeckt, die das Gen bis zu einem gewissen Grad reaktivieren, doch wahrscheinlich sind diese Wirkstoffe nicht sicher genug, um in klinischen Versuchen zum Einsatz zu kommen. Während der letzten Jahre haben wir unser Reaktivierungs-Arsenal um biologische Ansätze erweitert. Kürzlich haben wir dem Jaenisch-Labor am Whitehead Institute eine Förderung gewährt, um einen CRISPR-Ansatz weiterzuverfolgen, und eine weitere ging an das Philpot-Labor an der Universität von North Carolina, um einen Zinkfinger-Ansatz zu entwickeln. Diese biologischen Strategien erfordern ebenso die Verabreichung über einen Vektor, und so bieten sich wiederum für unsere auf dem Gebiet der Gentherapie gewonnenen Erkenntnisse weitreichende Anwendungsmöglichkeiten.

 

Die letzte Strategie, die MECP2 anvisiert, ist der Proteinersatz. Genug MECP2-Protein kontinuierlich an das Gehirn zu liefern ist gegenwärtig schwierig. Zahlreiche Wissenschaftler und biopharmazeutische Unternehmen sind im Moment damit beschäftigt, die Verabreichung von Proteinen an das Gehirn zu verbessern, und wir freuen uns darauf, schnell neue wissenschaftliche Durchbrüche nutzen zu können.

 

Mit Ausnahme der Gentherapie sind unsere anderen Ansätze noch nicht reif für klinische Versuche. Das bedeutet, dass eine Antwort auf die Frage, wie nah wir wirklich an einer Heilung sind, zum großen Teil von den Ergebnissen des Gentherapie-Versuchs bei AveXis abhängt.

 

Ich vermute, dass die Tage und Wochen, nachdem dem ersten Kind eine Gentherapie verabreicht wurde, die spannendsten und beängstigendsten in meinem Leben sein werden. Spannend, weil die Rett-Gemeinschaft zum ersten Mal die Gelegenheit haben wird, einen Ansatz zu verfolgen, der auf den Kern dieses schrecklichen Leidens zielt. Beängstigend, weil ein erster Versuch mit etwas immer Risiken birgt, und weil es keine Garantien gibt, obwohl wir deutliche Verbesserungen erwarten.

 

Eins ist jedenfalls gewiss: Wir würden heute nicht am Rand zu klinischen Versuchen in der Gentherapie stehen, wenn es den RSRT sowie unsere großartigen Familien und deren Netzwerke und deren Unterstützung nicht geben würde. Darauf bin ich sehr stolz.

 

Ich gebe allen in unserer Gemeinschaft, die wie ich jemanden mit Rett lieben, drei Versprechen:

 

Erstens wird der RSRT nicht aufgeben, bis wir eine Heilung erreicht haben. Ob nun diese Heilung „in greifbarer Nähe“ ist, da der bevorstehende Gentherapie-Versuch das bestmögliche Ergebnis liefert, oder ob wir feststellen, dass man das Gentherapie-Produkt verändern und verbessern kann, oder ob einer der anderen Ansätze die Führung übernimmt – wir werden nicht aufgeben!

 

Zweitens wird der RSRT bei all seinen Aktivitäten mutig voranschreiten, beim Beschaffen von Geldmitteln bis hin zur Forschung. Dies ist der einzige Weg, um wirkliche Fortschritte zu machen.

 

Drittens werden Sie von uns immer die Wahrheit bekommen. Kein Drumherumreden. Das verdienen Sie.

 

Ist eine Heilung also in greifbarer Nähe? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Aber ich kann kaum erwarten, es herauszufinden.

 

Diesen Worten schließt sich der Rett-Syndrom-Deutschland gerne an!