Erste vorklinische Gentherapiestudie zur Umkehrung von Rett-Symptomen

Erste vorklinische Gentherapiestudie zur Umkehrung von Rett-Symptomen

 

Pressekontakt:

Monica Coenraads Geschäftsführerin RSRT monica@rsrt.org 203.445.0041

20. August 2013 [Spanische Übersetzung]

Das Konzept hinter der Gentherapie ist einfach: Ein gesundes Gen wird eingesetzt, um die Aufgaben eines mutierten zu übernehmen. Neue Forschungsergebnisse, die heute im Journal of Neuroscience veröffentlicht wurden, lassen vermuten, dass dieser Ansatz möglicherweise eine machbare Möglichkeit zur Behandlung des Rett-Syndroms darstellt, jener Störung innerhalb des Autismus-Spektrums, welche die meisten Behinderungen zur Folge hat. Gail Mandel, Ph.D. und Howard Hughes-Wissenschaftlerin an der Oregon Health and Sciences University, leitete die Studie. Der Rett Syndrome Research Trust hat diese Arbeit mit großzügiger Unterstützung des Rett Syndrome Research Trust UK und der Rett Syndrome Research & Treatment Foundation durch das MECP2 Konsortium finanziert.

Im Jahr 2007 überraschte der Co-Autor Adrian Bird, Ph.D. an der University of Edinburgh, die Fachwelt mit dem Nachweis, dass Rett heilbar ist, indem er die Symptome an erwachsenen Mäusen umkehrte. Seine unerwarteten Ergebnisse trieben die Labore rund um die Welt an, eine Reihe Strategien zu verfolgen, um die vorklinischen Erkenntnisse auf Menschen übertragen zu können.

Die aktuelle Studie zeigt als erste eine Umkehrung von Symptomen an vollständig symptomatischen Mäusen. Dabei kamen Techniken der Gentherapie zum Einsatz, die das Potenzial für eine klinische Anwendung haben.

Das Rett-Syndrom ist eine mit dem X-Chromosom verbundene neurologische Störung, die in erster Linie bei Mädchen auftritt, In den USA wird jährlich etwa eins von 10.000 Kindern mit Rett geboren. In den meisten Fällen machen sich die Symptome zwischen dem 6. und 18. Lebensmonat bemerkbar, indem Meilensteine in der Entwicklung verpasst werden oder verloren gehen. Die darauf folgende Regression äußert sich durch Sprach- und Beweglichkeitsverlust sowie dem Verlust der Fähigkeit, die Hände funktional einzusetzen. Dies wird häufig von der Rett-typischen Geste abgelöst, dem Händeringen, manchmal so intensiv, dass es über sämtliche wache Stunden anhält. Andere Symptome sind Krämpfe, Zittern, orthopädische und Verdauungsprobleme, Atemstörungen und andere vegetative Beeinträchtigungen, sensorische Probleme und Unruhe. Die meisten Kinder erreichen das Erwachsenenalter und benötigen rund um die Uhr Pflege.

Der Grund für die schreckliche Konstellation der Symptome beim Rett-Syndrom liegt in Mutationen eines auf dem X liegenden Gens mit der Bezeichnung MECP2 (Methyl CpG- bindendes Protein). MECP2 ist ein Mastergen, das die Aktivität zahlreicher anderer Gene regelt, indem es sie ein- oder ausschaltet.

„Gentherapie ist für diese Störung gut geeignet“, erklärt Dr. Mandel. „Da MECP2 an die DNA im gesamten Genom bindet, gibt es gegenwärtig kein einzelnes Gen, auf das wir mit einem Medikament zielen könnten. Deshalb ergibt sich die beste Chance auf einen größeren Effekt auf die Störung aus einer Korrektur des zugrunde liegenden Defekts in so vielen Zellen des Körpers wie möglich. Die Gentherapie erlaubt uns, genau das zu tun.“

Gesunde Gene können durch ein Virus in die Zellen gebracht werden, wobei das Virus wie ein trojanisches Pferd funktioniert. Es gibt viele verschiedene Typen dieser Trojaner. Dr. Mandel verwendete das Adeno-assoziierte Virus Serotyp 9 (AAV9), welches die ungewöhnliche und attraktive Fähigkeit hat, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren. Dies ermöglicht eine intravenöse Steuerung des Virus und seines Gepäcks. Auf diese Weise lassen sich invasivere Verabreichungssysteme direkt im Hirn vermeiden. Solche Systeme würden das Bohren von Löchern in den Schädel erfordern.

Da das Virus nur begrenzten Raum für den Transport hat, kann es nicht das gesamte MECP2- Gen tragen. Der Co-Autor Brian Kaspar vom Nationwide Children’s Hospital arbeitete mit Mandels Labor zusammen, damit nur die wichtigsten Segmente des Gens eingesetzt werden konnten. Nach der Injektion in die Rett-Mäuse, verteilte sich das Virus auf die Zellen im gesamten Körper und Gehirn und verbreitete das veränderte Gen, welches daraufhin begann, das MeCP2-Protein herzustellen.

Wie bei weiblichen Menschen mit dem Rett-Syndrom haben nur etwa 50% der Mauszellen eine gesunde Kopie des MECP2. Nach der gentherapeutischen Behandlung hatten dann 65% der Zellen ein funktionierendes MECP2-Gen.

Die behandelten Mäuse zeigten eine deutliche Verbesserung bei motorischen Funktionen, Zittern, Krämpfen und dem Klammern der Hinterläufe. Auf Zellebene wurde die geringere Größe von Nervenzellen, die in mutierten Zellen beobachtet wurde, auf das normale Maß wiederhergestellt. Biochemische Versuche bewiesen, dass das Gen seinen Weg in die Zellkerne gefunden hatte und wie erwartet funktionierte, indem es an die DNA band.

Ein Rett-Symptom, das allerdings nicht verbessert werden konnte, war die abnorme Atmung. Forscher gehen davon aus, dass eine Korrektur hier erfordern würde, dass eine größere Anzahl Zellen erreicht wird; mehr als die 15%, die im Hirnstamm erreicht wurden.

„Mit diesen Experimenten haben wir etwas Wichtiges und Ermutigendes gelernt – Wir müssen nicht jede Zelle korrigieren, um die Symptome umzukehren. Der Anstieg von 50% auf 65% Zellen mit einem funktionierenden Gen endete mit deutlichen Verbesserungen“, so der Co-Autor Saurabh Garg.

Eine der möglichen Herausforderungen bei der Gentherapie im Zusammenhang mit Rett ist die Möglichkeit, verschiedene Kopien des Gens in eine Zelle zu bringen. Wie wir bereits vom MECP2-Duplikationssyndrom wissen, ist zu viel dieses Proteins nachteilig. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass nach einer gentherapeutischen Behandlung die normale Menge des MeCP2-Protein exprimierte. Zumindest war die Überexpression von MeCP2 in unserem Fall und mit diesen Methoden kein Problem“, sagte der Co-Autor Daniel Lioy.

Dr. Mandel warnte, dass noch entscheidende Schritte bevorstehen, bevor klinische Versuche beginnen können. „Unsere Studie ist ein erster bedeutender Schritt zur Betonung des Potenzials von AAV9 bei der Behandlung der neurologischen Symptome im Zusammenhang mit Rett. Wir arbeiten jetzt daran, das Einpacken von MeCP2 in das Virus zu verbessern, um

zu sehen, ob wir einen größeren Anteil der Zellen erreichen und so die Symptome noch weiter lindern können“, sagte Mandel. Die Kollegen Hélène Cheval und Adrian Bird sehen darin eine viel versprechende Folge der Arbeit von 2007, die eine Umkehrung der Symptome an Rett-Mäusen zeigte. „Jene Studie verwendete genetische Tricks, die bei Menschen nicht direkt angewendet werden können, doch der AAV9-Vektor, der hier verwendet wurde, könnte prinzipiell ein Gen auf therapeutischem Weg liefern. Es handelt sich um einen bedeutenden Schritt nach vorn, doch der Weg ist noch lang.“

„Die Gentherapie hatte einen turbulenten Weg in den vergangenen Jahrzehnten, doch gegenwärtig erlebt sie eine Renaissance aufgrund der technischen Fortschritte. Europa und Asien führen gentherapeutische Behandlungen bereits klinisch durch, und vermutlich werden die Vereinigten Staaten dem bald folgen. Unser Ziel jetzt ist die Priorisierung der nächsten wichtigen Versuche und deren Durchführung so schnell wie möglich. Gentherapie ist ein schwieriges Unterfangen, besonders, wenn es um das Hirn geht, doch ich bin vorsichtig optimistisch, dass wir mit dem richtigen Team einen Plan für die klinische Entwicklung ausarbeiten können. Ich gratulieren den Laboren von Mandel und Bird zur aktuellen Veröffentlichung. Es ist schon die dritte, die nach kurzer Zeit aus dem MECP2 Konsortium hervorgegangen ist“, sagte Monica Coenraads, Geschäftsführerin des Rett Syndrome Research Trust und Mutter einer jugendlichen Tochter, die von der Störung betroffen ist.

Zitat: Systematische Verabreichung von MeCP2 lindert Verhaltens- und zelluläre Defizite bei weiblichen Mausmodellen für das Rett-Syndrom. The Journal of Neuroscience.

Finanzierung: Diese Arbeit wurde in erster Linie durch den Rett Syndrome Research Trust finanziert, beteiligt waren NIH, Wellcome Trust, MRC, Action Medical Research zusammen mit Henry Smith Charity, R S MacDonald Charitable Trust.

Über den Rett Syndrome Research Trust

Der Rett Syndrome Research Trust ist eine Non-Profit-Organisation, die sich ausschließlich der weltweiten Forschung zum Rett-Syndrom und damit verbundenen MECP2-Störungen widmet. Unser Ziel ist die Heilung von Kindern und Erwachsenen, die andernfalls für den Rest ihres Lebens an den Auswirkungen dieser Störung leiden werden. Wenn Sie mehr über den Trust erfahren möchten, besuchen Sie bitte www.ReverseRett.org

Unsere Partner, die uns bei dieser Arbeit unterstützen, sind Elternorganisationen weltweit, darunter der RSRT UK, die Rett Syndrome Research & Treatment Foundation (Israel), Stichting Rett Syndrome (Holland), Rett Syndrom Deutschland e.V., Skye Wellesley Foundation (UK) und amerikanische Organisationen, die Kate Foundation for Rett Syndrome Research, Girl Power 2 Cure, Eva Fini Fund beim RSRT, Rocky Mountain Rett Association und die New Jersey Rett Syndrome Association.

Über das MECP2 Konsortium
Das MECP2 Konsortium wurde 2011 vom Rett Syndrome Research Trust durch eine erste Schenkung von einer Million USD von unserem Mitglied Tony Schoener und seiner Frau Kathy ins Leben gerufen. Es fördert neue Zusammenschlüsse zwischen führenden Wissenschaftlern zur Untersuchung der Moleküle an der Wurzel des Rett-Syndroms. Zu den Mitgliedern des Konsortiums zählen Adrian Bird von der University of Edinburgh, Michael Greenberg von der Harvard University und Gail Mandel von der Oregon Health and Sciences University.