Eine neue Art, voran zu kommen

Es war ein kühler Tag Anfang des Frühlings, als sich eine ungewöhnliche Gruppe Menschen in einem geräumigen Büro an der Harvard Medical School traf – im Büro von Michael Greenberg, dem Vorsitzenden der Abteilung für Neurobiologie und einer der respektiertesten und profiliertesten Abteilungen für Neurobiologie auf der Welt. Bei Dr. Greenberg befanden sich Adrian Bird von der Universität Edinburgh und Gail Mandel, eine Howard Hughes-Stipendiatin und Medizinwissenschaftlerin an der Oregon Health & Sciences University. Jeder, der sich in irgendeiner Weise mit der Forschungsliteratur über Rett befasst hat, kennt diese Namen, und dennoch würde sich keiner dieser außerordentlichen Wissenschaftler als „Rett-Syndrom-Forscher“ bezeichnen. Die Fragen, die sie während ihrer Laufbahnen beschäftigt haben, kreisen um grundlegende Wissenschaftsphänomene wie DNA-Methylation, Genexpression und Hirnplastizität.

Jeder dieser Wissenschaftler gelangte auf einem anderen Weg zum Rett-Syndrom, doch ihre verbundenen Interessen werden nun einen ertragreichen Synergieeffekt schaffen, um das grundlegende Geheimnis von Rett zu lösen: Was ist die genaue Funktion von MeCP2 im Gehirn?

Der RSRT investiert die Rekordsumme von 1,8 Millionen USD in dreigliedrige kooperative Experimente, um den Weg zur Medikamentenentwicklung zu beschleunigen.

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Konsortium: Profs. Greenberg, Vogel-und Mandel

Dr. Greenberg rief mich irgendwann im letzten Jahr an und sagte: „Ich kommen mit einem abwegig erscheinenden Vorschlag zu Ihnen.“ Er gab zu, dass die Aufklärung der Rolle von MeCP2 die größte Herausforderung sei, an der er je gearbeitet hatte (ein bemerkenswerter Kommentar, wenn er von einem so anerkannten Wissenschaftler wie Dr. Greenberg kommt), und dass die Erfolgschancen umso größer seien, wenn er seine Ideen mit denen exzellenter Forscher zusammenbringen könne, die über ergänzendes Wissen verfügten. Er bat mich herauszufinden, ob es möglicherweise bei Dr. Bird und Dr. Mandel ein passendes Interesse gäbe. Das tat ich, und die Antwort war hoch erfreut und positiv. Gleichzeitigkeit war auf unserer Seite. Die RSRT-Mitglieder Anthony Schoener und seine Frau Kathy zeigten sich interessiert, ein Projekt mit hohem Einsatz zu finanzieren: Das MECP2-Konsortium war geboren.

Kürzlich traf ich die Forscher, um diese neuartige und nicht sehr traditionelle Zusammenarbeit zu besprechen.

Coenraads: Wie würden Sie drei das Ziel des Konsortiums beschreiben?

Bird: Das Ziel des Konsortiums ist, einen Entwicklungssprung bei unserem Verständnis der Funktion von MeCP2 im Zusammenhang mit dem Rett-Syndrom zu machen. Wir glauben, dass dies die Entwicklung von vernünftigen Behandlungswegen vorantreiben wird. Im Gegensatz zu vielen anderen Störungen im Spektrum von Autismus kennen wir hier die Wurzel des Problems sehr genau, aber in der Sprache der Moleküle zu erklären, warum die Abwesenheit eines funktionalen MeCP2 die speziellen Symptomkonstellationen bei Rett hervorruft, fordert uns immer noch. Wir haben bereits nützliche Information darüber, was MeCP2 in den Zellen tun könnte – wir wissen, dass es ein chromosombindendes Protein ist, das auf DNA-Methylation abzielt. Wir wissen auch, dass es sich chemisch verändert, wenn Nervenzellen aktiv sind, und wir wissen, dass andere Zelltypen im Hirn abseits der Nervenzellen auch MeCP2 brauchen, damit das Hirn normal funktioniert – aber es gibt unter den Wissenschaftlern keinen Konsens darüber, warum MeCP2 für eine ordentliche Hirnfunktion gebraucht wird. Unsere gemeinsame Ansicht ist, dass eine Lösung dieses schwierigen Problems die Zusammenarbeit von Laboren mit unterschiedlichen Fachgebieten erforderlich macht. Gail, Mike und ich haben eher verschiedene Blickwinkel auf die Biologie, was unserer Ausbildung und unserem jeweiligen Hintergrund geschuldet ist, aber offensichtlich ergänzen wir einander gut. Wir nehmen an, dass die nächsten Jahre Fortschritte für unser Verständnis von sowohl MeCP2 als auch dem Gehirn bringen werden. Das Timing fühlt sich gut an und es wird interessant zu sehen, was passiert.

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Exploring the mystery of Rett

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Mandel: Ziel des Konsortiums ist meiner Ansicht nach, unsere Köpfe zusammen zu bringen, um neue Ideen zu entwickeln und gegenseitig die Ideen und Versuche der anderen zu bewerten. Wir sollten auch bei Versuchen zusammenarbeiten, wo unser Fachwissen sich ergänzt. Ich sehe das ebenfalls als eine günstige Gelegenheit, unsere Nachwuchswissenschaftler an das Training in konsequenter translationaler Biologie heranzuführen.

Coenraads: Das ist ein wichtiger Aspekt, Dr. Mandel. Das Konsortium geht schließlich weit über Sie drei hinaus. Es erfordert die aktive Teilnahme aller Mitarbeiter Ihrer Labore, die sich regelmäßig miteinander austauschen werden.

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Konsortium mit Mitgliedern der Greenberg Lab

Greenberg: Ich schlage vor, dass “Geschwindigkeit” ebenfalls ein Teil der Gleichung sein sollte. Das Ziel des Konsortiums ist der schnelle Erwerb von Erkenntnissen bezüglich der molekularen und zellulären Basis des Rett-Syndroms durch kooperierende Anstrengungen.

Coenraads: Während der letzten 12 Jahre, die ich in Zusammenarbeit mit der Wissenschaftlergemeinschaft verbracht habe, wurde die Idee eines Konsortiums von Zeit zu Zeit diskutiert. Heute sehe ich, dass das Bedürfnis, zusammen zu arbeiten, von den Wissenschaftlern selbst kommen muss. Eine auf diese Weise entstehende, ehrliche Kooperation unterscheidet sich deutlich von einer oberflächlichen und nur so bezeichneten Zusammenarbeit. Gemeinsame Projekte können nicht von oben diktiert und mit Geld attraktiv gemacht werden. Wirklich bedeutsame Kooperation kommt von unten und speist sich aus gegenseitigem Respekt und Vertrauen sowie einer starken Überzeugung, dass das große Ganze wichtiger ist als die Summe seiner Teile.

Inwieweit unterscheidet sich die Arbeit im Konsortium von Ihrer bisherigen Arbeit?
Brauchte es irgendein Umdenken bezüglich Ihrer persönlichen Arbeitsweise?

Mandel: Nach einer langjährigen Zusammenarbeit mit meinem Mann, der ebenfalls Wissenschaftler ist, sind mir die Vorteile von Konsortien aus erster Hand deutlich geworden. Meine persönliche Arbeitsweise war schon immer offen für Zusammenarbeit, denke ich. Entsprechend arbeitet auch mein Laborteam wunderbar zusammen.

Bird: Wissenschaft ist normalerweise ein Wettbewerb. Diskretion ist das Mindeste, wenn nicht komplette Geheimhaltung, wenn man das Trauma vermeiden will, vor dem Ziel von anderen Labors geschlagen und durch deren schnellere Veröffentlichung überrundet zu werden. Diese ‚Den Letzten beißen die Hunde’-Kultur zwischen vielen Forschern hat ihre Vorteile insofern, als sie Entdeckungen beschleunigen kann, aber sie steht oft im Gegensatz zu den Bedürfnissen einer wohltätigen Organisation wie dem RSRT, die sich wünschen könnten, dass Wissenschaftler ihre Kräfte bündeln, um eilige, klinisch relevante Probleme zu lösen. Unser Konsortium will dies erreichen. Wir teilen unveröffentlichte Daten und Ressourcen. Wir telefonieren regelmäßig und treffen uns mehrmals im Jahr, um uns gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen. Das Konsortium steckt noch in den Anfängen, aber es hat bereits Auswirkungen auf die Forschung in unseren Laboren. Um ehrlich zu sein, finde ich es erfrischend, an einem Unternehmen teil zu haben, dass unsere persönlichen Ambitionen in den Dienst eines übergeordneten Zwecks stellt.

Greenberg: Das sehe ich genauso. Ich denke, dass wir schon einen Nutzen sehen, obwohl das Konsortium und seine Forschungsbemühungen erst seit ein paar Monaten bestehen. Die Geschwindigkeit des Fortschritts beim Verständnis des Rett-Syndroms ist bereits gestiegen. Meine Erwartung ist, dass wir durch die Zusammenarbeit mit den Laboren von Dr. Bird und Dr. Mandel in der Lage sein werden, die gegenwärtigen Hindernisse bei der Einsicht in die molekulare Basis der Störung zu überwinden. Ich denke auch, dass wir Schlüsselentdeckungen erwarten können, die in naher Zukunft zu neuen Ideen für die Entwicklung neuer Therapien zur Behandlung des Rett-Syndroms führen.

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Coenraads: Man sollte auch erwähnen, dass die wahrscheinlichen Entdeckungen des Konsortiums nicht nur in Bezug auf das Rett-Syndrom helfen werden, sondern auch in Bezug auf das MECP2-Duplikationssyndrom und alle Störungen, die durch Veränderungen am MECP2 hervorgerufen werden.

Der RSRT hat dem MECP2-Konsortium 1,8 Millionen USD übergeben. Die Schoeners haben 1 Million USD zu dem Unternehmen beigetragen. Es ist weit untertrieben zu behaupten, dass wir ohne ihre Hilfe so schnell in der Lage gewesen wären, das Konsortium ins Leben zu rufen. Ich danke ihnen für ihre Großzügigkeit, ihre Überzeugung und, offen gesagt, ihren Glauben an wissenschaftlichen Fortschritt. Ihnen dreien wünsche ich viel Erfolg. Ich freue mich auf unsere monatlichen Konsortiumstelefonate und persönliche Treffen, um unsere Leser weiterhin über ihre Fortschritte zu informieren.